Grosseinkauf per Smartphone- Der Wettlauf beginnt
26. Juli 2021
Zürich, 26. Juli 2021 – Dem Lebensmittel-Detailhandel in der Schweiz steht ein massiver Umbruch bevor: Online bestellen und liefern lassen – dieses Konzept bietet erhebliche Chancen für Verbraucher und Anbieter gleichermassen. Laut einer Studie der Strategieberatung Oliver Wyman hat die Schweiz in puncto Digitalisierung des Lebensmittel-Einkaufs allerdings einen hohen Nachholbedarf. Um die aktuell noch zögerlichen Supermarktgänger zu überzeugen, bringen sich Lieferdienste aus dem Start-up-Sektor in Stellung. Klassische Detailhandelsketten müssen mit eigenen Lieferoptionen reagieren – oder sie werden überrollt.
Den Wochenend-Einkauf am Smartphone erledigen, anstatt einen Metallgitterwagen durch Supermarkt-Gänge zu schieben? Für die meisten Menschen in der Schweiz kommt bequemes Online-Shopping von Frischwaren noch nicht in die Tüte: Nur 15 Prozent von ihnen haben in den vergangenen drei Monaten in einem Online-Supermarkt eingekauft. Stattdessen wuchten die meisten in gewohnter Manier Tüten in den Kofferraum oder tragen sie nach Hause. «Die Schweiz hat grossen Nachholbedarf beim Online-Einkauf von Lebensmitteln», sagt Alexander Pöhl, Principal bei der Strategieberatung Oliver Wyman. «Wir erwarten eine rasche Trendwende hin zu mehr Online-Einkäufen. Viele europäischen Nachbarn machen es schon vor: Eine Online-Welle rollt quer durch Europa, die deutschsprachigen Länder sind kurz davor, erfasst zu werden.»
Die aktuelle Analyse von Oliver Wyman zeigt, welches Potenzial im Schweizer Lebensmittel-Detailhandel brach liegt. 41 Prozent der Spanier, 40 Prozent der Franzosen und 32 Prozent der Engländer haben im vergangenen Quartal bereits einen Online-Supermarkt genutzt. Schweiz (15), Österreich (11) und Deutschland (10) sind in dieser Hinsicht Schlusslicht unter acht untersuchten Ländern. Die meisten Stammkunden im Online-Segment finden sich laut Studie in England mit 17 Prozent – sie geben einen Online-Shop als Hauptbezugsquelle ihrer Lebensmittel an. Hier können die Schweiz (3), Deutschland (3) und Österreich erst recht nicht mithalten (2). Befragt wurden die Konsumenten in der repräsentativen Studie im April 2021.
Die Schweizer möchten die Produkte sehen
Woher rührt die Zurückhaltung? In der Schweiz, ähnlich wie in Deutschland und Österreich war der meistgenannte Grund laut Studie der Wunsch, die Produkte selber zu betrachten oder zu testen. Auch die hohen Lieferkosten spielen hierzulande eine Rolle. Als drittgrösstes Hemmnis wird die Sorge gesehen, nicht die beste Produktqualität zu erhalten. «Die Anbieter haben es selbst in der Hand, sich das Vertrauen durch gute Produktqualität und niedrigere Lieferkosten zu erarbeiten», sagt Nordal Cavadini, Partner und Leiter der Handels- und Konsumgüter-Praxisgruppe bei Oliver Wyman in der Schweiz. Die Faustregel für Kundenbindung: «Wer dreimal solch einen Bestelldienst probiert und jeweils zufrieden ist, bleibt dabei. Wir gehen von hoher Kundentreue aus.» Entsprechend wichtig ist eine gute Positionierung in der Frühphase des Marktes.
Auf Anbieterseite zeichnet sich in der Schweiz zunehmend ein spannendes Wettrennen ab: «Insbesondere die traditionellen Supermärkte stehen nun vor einer neuen Herausforderung», sagt Cavadini. Gelingt es ihnen, die Online-Welle zu surfen? «Wenn sie kein ansprechendes Angebot für die Verbraucher entwickeln, laufen sie Gefahr, von Online-Spezialisten wie Farmy oder Express-Lieferanten wie Stash oder Bringr überrollt zu werden», warnt Cavadini. Spekuliert wird zudem über eine Expansion von Gorillas in die Schweiz. Diese Lieferanten punkten mit Flexibilität und Schnelligkeit, ihre Zwischenlager haben sie oft innerstädtisch in ehemaligen Non-Food-Geschäften in B- und C-Lagen aufgebaut, um von dort zum Auftraggeber zu flitzen. Sie fokussieren sich auf urbane Zielgruppen. «Sie kämpfen strategisch um eine hohe Abdeckung und Präsenz in Grossstädten.».
In den Startlöchern stehen neben den mit viel Wagniskapital ausgestatteten Angreifern auch Essens-Lieferdienste wie Smood. Deren Fahrer wollen der Kundschaft ebenfalls gegen Gebühr Einkäufe im lokalen Detailhandel abnehmen.
Online-Kunden schauen weniger auf den Franken
DEine komplette Verdrängung der klassischen Supermärkte sei nicht zu erwarten, sagt Pöhl. «Es wird immer eine Berechtigung für stationären Handel geben.» Doch die geschickte Verknüpfung aus beiden Welten – sogenannte Omnichannel-Modelle – verspreche Mehrumsätze. «Es lohnt sich für Anbieter, einen zusätzlichen Fokus auf Online-Bestellungen zu legen. Die angesprochene urbane Kundschaft ist attraktiv, weil sie tendenziell weniger auf den Franken schaut», sagt Pöhl.
Die Zurückhaltung der Schweizer könnte bald bröckeln. Die Corona-Krise hat viele Menschen erstmals ans Thema Online-Shopping und Lieferdienste herangeführt. «Manche haben es in dieser Ausnahmesituation ausprobiert und den Charme solcher Bestellungen für sich entdeckt.»
Über die Analyse
Für die Oliver Wyman-Befragung zur Kundenzufriedenheit im LEH wurden mehr als 10’000 Kundenantworten aus insgesamt acht europäischen Ländern (Schweiz, Deutschland, Österreich, England, Frankreich, Spanien, Belgien und den Niederlande) ausgewertet. Die Befragung wurde im April 2021 durchgeführt.
Über Oliver Wyman
Oliver Wyman ist eine international führende Strategieberatung mit weltweit über 5.000 Mitarbeitern in 60 Büros in 29 Ländern. Wir verbinden ausgeprägte Branchenexpertise mit hoher Methoden-kompetenz bei Digitalisierung, Strategieentwicklung, Risikomanagement, Operations und Transformation. Wir schaffen einen Mehrwert für den Kunden, der seine Investitionen um ein Vielfaches übertrifft. Oliver Wyman ist ein Unternehmen von Marsh McLennan (NYSE: MMC). Unsere Finanzstärke ist die Basis für Stabilität, Wachstum und Innovationskraft. Zudem sind wir Mitgründer von digitalswitzerland, der Initiative, welche hinter den Schweizer Digitaltagen steht. Weitere Informationen finden Sie unter www.oliverwyman.ch. Folgen Sie Oliver Wyman auf Twitter @OliverWyman.
Pressekontakt Oliver Wyman
Dr. Davina Zenz-Spitzweg
+49 172 57 39 774
davina.zenz-spitzweg@oliverwyman.com