Covid-19: Wie i(s)st die Schweiz in der Krise

Zürich, 12. April 2020 – Ausgangsbeschränkungen, geschlossene Betriebe, striktere Kontaktregeln: Die aktuellen Auflagen zur Eindämmung von COVID-19 beeinflussen das tägliche Leben auf der ganzen Welt. Eine aktuelle Oliver Wyman-Befragung unter 9000 Konsumenten in neun Ländern zeigt, dass sich die persönlichen Umstände und das Kaufverhalten der Befragten zum Teil grundlegend geändert haben. Trotz geringerer Haushaltseinkommen geben in der Schweiz ein Viertel der Befragten mehr Geld für Lebensmittel aus als vorher. Lebensmitteldetailhändler sind mit niedrigeren Frequenzen aber deutlich grösseren Einkäufe konfrontiert.

Die Auswirkungen von COVID-19 sind in der Schweiz weitreichend. Das spüren nicht nur Unternehmen und die Politik, auch der Einzelne ist betroffen. In der Schweiz gaben 21 Prozent der Befragten an, dass ihr Haushaltseinkommen seit dem Ausbruch von COVID-19 gesunken ist und 32 Prozent sagten, dass sie stärker auf ihre Ausgaben achten. Diese Ergebnisse sind im Tessin und in der Romandie ausgeprägter als in der Deutschschweiz. Was für die meisten Segmente des Konsums zu mehr Zurückhaltung führt, bedeutet für Lebensmittel das Gegenteil. Ein Viertel der Befragten gibt mehr Geld für Lebensmittel aus als zuvor, jedoch unterschiedlich je Warengruppe und Preislage.

In den Einkaufskorb gelangen unter anderem mehr Produkte zum Kochen, günstigere Produkte und Grosspackungen. Demgegenüber werden weniger Premium- und nichtessenzielle Produkte gekauft. Dazu gehören auch Produkte für spezielle Anlässe, etwa zu Ostern. Ein Drittel aller Befragten gab an, weniger Osterartikel einkaufen zu wollen. „Das diesjährige Ostergeschäft wird durch die Einschränkungen des öffentlichen Lebens gebremst“, sagt Nordal Cavadini, Handels- und Konsumgüterexperte und Partner bei Oliver Wyman. „Darauf müssen Händler und Hersteller sich einstellen.“

Neue Einkaufsgewohnheiten – niedrigere Frequenzen – vollere Einkaufswagen

Die COVID-19-Krise beeinflusst den Tagesablauf der Schweizer: Der wöchentliche Einkauf verändert sich und der Wochenendeinkauf in angrenzenden Nachbarländern ist derzeit nicht möglich. Das führt auch dazu, dass Verbraucher in der Schweiz ihre bevorzugten Lebensmittelgeschäfte wechseln: 20 Prozent der Befragten kaufen heute hauptsächlich in einem Laden ein, wo sie noch vor ein paar Monaten nicht eingekauft haben. Gleichzeitig sehen sich Lebensmitteldetailhändler mit weniger Besuchen und deutlich grösseren Einkäufen pro Verbraucher konfrontiert: Die Hälfte aller Befragten gab an, weniger oft Lebensmittel einkaufen zu gehen. Dies stellt viele Lebensmittelhändler vor eine Herausforderung: „Das Problem ist oft nicht das Angebot, sondern die Nachfrage, die derzeit viel schwieriger vorherzusagen ist“, erklärt Cavadini.

Weitere Herausforderungen, die Lebensmittelhändler meistern müssen, betreffen die Einkaufsbedingungen im Laden. 75 Prozent der Befragten gaben an, dass sie schon einmal gewünschte Produkte im Laden nicht vorfinden konnten; 26 Prozent sagten, dass sie sich wegen der langen Warteschlangen unwohl fühlten. „Neben der Sicherung der Warenversorgung steht der organisatorische Betrieb eines Ladens und die Gewährleistung hygienischer Massnahmen für Kunden und Personal derzeit im Mittelpunkt“, sagt Handelsexperte Cavadini. „Wenn der Detailhandel die Herausforderungen dieser Zeit erfolgreich meistert, wird er seine Rolle als Versorger der Menschen und wichtiger Arbeitgeber in der Gesellschaft enorm stärken.“

E-Food gewinnt an Bedeutung, offenbart aber Grenzen

Immer mehr Schweizer kaufen ihre Lebensmittel nun online. Allein in den letzten Wochen sind der Befragung zufolge in der Schweiz 9 Prozent der Verbraucher zumindest temporär neu zum Onlinelebensmitteleinkauf übergegangen. „Wir gehen davon aus, dass noch mehr Kunden ihren Lebensmitteleinkauf online tätigen werden und diese Phase das E-Food-Wachstum nachhaltig beschleunigen wird“, so Cavadini. Dies jedoch unter der Voraussetzung, dass die Branche eine Lösung für den herrschenden Kapazitätsengpass findet: Fehlende Lieferfenster werden von 69 Prozent der Befragten bemängelt, die online bestellen. „E-Food in der Schweiz ist vor allem ein Home-Delivery-Modell“, betont Cavadini. „Da stossen Händler und auch teilweise ihre Zusteller schneller an ihre Kapazitätsgrenzen als etwa beim Click-&-Collect-Modell, das die Abholung der zuvor bestellten Ware vorsieht und in anderen Ländern häufiger praktiziert wird.“

Während etwa drei Viertel der Befragten in der Schweiz davon ausgehen, dass ihr verändertes Einkaufsverhalten höchstens bis zum Sommer andauern wird (bis in maximal drei bis vier Monaten), gehen etwa ein Viertel davon aus, dass dies mindestens fünf bis sechs Monate oder länger so bleibt. Auch hier zeigen sich Unterschiede nach Region: Die Deutschschweiz ist mit 24 Prozent optimistischer, die Romandie mit 27 Prozent und insbesondere das Tessin mit 39 Prozent pessimistischer, was die Dauer der Situation angeht. „Unabhängig davon, wie lange die Ausnahmesituation anhält: Detailhändler sollten bereits heute damit anfangen, die Weichen für ein erfolgreiches Geschäftsmodell nach der Coronakrise zu stellen“, sagt Cavadini.

ÜBER DIE BEFRAGUNG
Die Onlinebefragung wurde in neun Ländern (Deutschland, Vereinigtes Königreich, Spanien, Italien, Frankreich, USA, Schweiz, Niederlande, Australien) durchgeführt. In der Schweiz wurden 1000 Konsumenten aus Deutschschweiz, Romandie und Tessin in der ersten Aprilwoche befragt.

 

ÜBER OLIVER WYMAN

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